Jetzt ist Zeit sich zu erinnern
Lieben Dank für das Foto vom Postkarten-Abo an @wellenart.
Wir sind alle Farben.
Du bist Anfang und Ende.
Du bist Gegenwart und Zukunft.
Du bist das Blau und das Gelb.
Du bist.
Ich bin Leben und Loslassen.
Ich bin Sonne und Regen.
Ich bin das Weiß und das Rot.
Ich bin.
Wir sind das Jetzt und das Morgen.
Wir sind alle Farben.
Wir sind ich und du.
Wir sind.
Angekommen (Anne IX)
Angekommen. Angekommen war Anne noch lang nicht. Nun war sie schon eine ganze Weile an diesem Ort, er war ihr Zuhause geworden. Und doch dachte sie wieder darüber nach wegzugehen, weiter weg denn je. Dabei war sie gar keine Wanderin. Sie fühlte nur tief in ihrem Inneren, dass dies nicht der Ort war, der sie halten könnte. Da fehlte was. Etwas, was keinen Namen trug.
Weißt du noch?
Weißt du noch,
wie wir am Flughafen standen,
wie wir aufeinander flogen und dann zueinander hin?
Weißt du noch,
wie wir unter Kirschblüten lagen,
am Kiosk eine Tüte voll mit Schlickersachen holten
und zusammen S-Bahn fuhren?
Weißt du noch,
wie wir zusammen in Italien das Meer besuchten,
Cappuccino tranken
und Quellen suchten?
Weißt du noch,
wie wir am Crêpestand warteten,
und du mir die drei Worte ins Ohr flüstertest?
Weißt du noch,
wie wir im Bett lagen
und so für immer bleiben wollten?
Anne am Meer (X)
„Am Meer sitzen“, schrieb Anne in ihr Tagebuch, „viel mehr braucht es nicht zum Glücklichsein.“ Natürlich war ihr klar, dass es mehr braucht. Und doch, das Meeresrauschen machte reich: Das Salz auf den Lippen schmecken. Den Sand zwischen den Zehen spüren. Das Rauschen ins Herz lassen. Den Wind durchs Haar wehen lassen. Vielleicht waren es diese Nebensächlichkeiten, die alles ein wenig leichter und auch glücklicher machte. Nicht viel selbst tun müssen, geschehen lassen. Das Gegenteil von Alltag.
Anne (V)
Vielleicht geht es weniger darum anzukommen. Vielleicht geht es vielmehr darum zu leben.
Vielleicht sollte ich das Vielleicht aus meinem Wortschatz streichen, dachte Anne.
Vielleicht ist so bequem – wie ein Platz zum Ausruhen. Kein Handeln nötig. Nur ein Wort – ein gedachtes.
Anne (IV)
Neue Stadt. Neues Leben.
Neue Liebe. Neues Glück. Hatten sie gesagt.
Und jetzt stand sie da. Irgendwie war sie in den letzten Wochen angekommen, aber gefühlt war ihr Herz noch auf Reisen. Wo genau wusste sie auch nicht. Leider bekam sie keine Ansichtskarten von unterwegs. Was wohl drauf stehen würde, fragte sich Anne – vielleicht: „Ich bin noch in Rom. Der Kaffee ist super. Du musst auch mal herkommen. Es würde dir gefallen. Das Licht ist ein besonderes.“ Was würde sie sich freuen, wenn sie die Nachricht in ihrem Postkasten findet. Sofort würde sie ihre Reise planen und sich schon vor dem geistigen Auge auf dem großen Platz sitzen sehen.
Doch so, so saß sie hier. Nicht ganz hier und noch nicht da.
Der Kaffee schmeckte ihr trotzdem. Die Liebe und das Glück werden nicht mehr lang auf sich warten lassen.
Anne (II)
Es war ein Morgen wie jeder anderer. Der Wecker klingelte viel zu früh. Und es bedurfte einer zweiten Aufforderung des Weckers bis sie aufstand. Der Himmel graute auf. Der Tag war noch ein Versprechen.
Auf dem Weg zur Bushaltestelle spannte sie ihren blauen Regenschirm auf. Der Nieselregen würde ihre Locken sowieso schon genügend aufdrehen. Ihre Augenlider waren bleiernd, die Nacht zu kurz. Gedanken hatten sie schlaflos gemacht – über all das müsste und könnte doch.
Aber der Tag war gnädig zu ihr, denn der Bus kam als sie um die Ecke bog. Heute musste sie nicht warten. Die Welt zog an ihr vorbei. Der Tag im Büro begann. Doch die Gedanken hörten nicht auf. Sie spielte mit ihren Locken.
Wie gut wäre es, dachte Anne, sie könnte sich unsichtbar machen, aber ohne so einen doofen Umhang. Wer will den denn immer bei sich tragen? Eher wie ein Ein- und Ausschalten mit einer Geste, wie wenn man sich eine Strähne hinter das Ohr streicht.
Und schon im nächsten Moment strich sie sich eine Locke hinter das Ohr und stellte sich vor sie sei nun unsichtbar. Lächelnd nippte Anne an ihrem Kaffee. Endlich Ruhe.
In der Ferne
In die Nacht, das Blau hinein.
Fremde Stimmen klingen.
Möchte in der Ferne sein,
Dort wo die Möwen singen.
Am Meer, das schöne Leben,
Ist anders als das hier.
Dort lern’n Gedanken schweben.
Und Du wärst längst bei mir.