Anne (VII)

Anne stürzte sich ins Leben. Bunte Bilder. Lachende Gesichter. Sekt und Kaffee. Eis und Pasta. Viele Menschen. Schöne Orte. Ein Leben fast wie im Telegramm-Stil. Ein Leben eben. Nur Leben. Und es fühlte sich gut an. Anne wollte mehr davon.
Sie überraschte sich selbst – fühlte Anne sich eben noch allein, stand sie nun mittendrin. Niemand hatte sie nach dem Warum gefragt. Wichtig war nur, dass ist, was ist.
Am Ende des Tages klebte Anne bunte Bilder in ihr Erinnerungsbuch. Mehr wollte sie gar nicht.

Anne (IV)

Neue Stadt. Neues Leben.
Neue Liebe. Neues Glück. Hatten sie gesagt.

Und jetzt stand sie da. Irgendwie war sie in den letzten Wochen angekommen, aber gefühlt war ihr Herz noch auf Reisen. Wo genau wusste sie auch nicht. Leider bekam sie keine Ansichtskarten von unterwegs. Was wohl drauf stehen würde, fragte sich Anne – vielleicht: „Ich bin noch in Rom. Der Kaffee ist super. Du musst auch mal herkommen. Es würde dir gefallen. Das Licht ist ein besonderes.“ Was würde sie sich freuen, wenn sie die Nachricht in ihrem Postkasten findet. Sofort würde sie ihre Reise planen und sich schon vor dem geistigen Auge auf dem großen Platz sitzen sehen.

Doch so, so saß sie hier. Nicht ganz hier und noch nicht da.
Der Kaffee schmeckte ihr trotzdem. Die Liebe und das Glück werden nicht mehr lang auf sich warten lassen.

Anne (II)

Es war ein Morgen wie jeder anderer.  Der Wecker klingelte viel zu früh. Und es bedurfte einer zweiten Aufforderung des Weckers bis sie aufstand. Der Himmel graute auf. Der Tag war noch ein Versprechen.

Auf dem Weg zur Bushaltestelle spannte sie ihren blauen Regenschirm auf. Der Nieselregen würde ihre Locken sowieso schon genügend aufdrehen. Ihre Augenlider waren bleiernd, die Nacht zu kurz. Gedanken hatten sie schlaflos gemacht – über all das müsste und könnte doch.
Aber der Tag war gnädig zu ihr, denn der Bus kam als sie um die Ecke bog. Heute musste sie nicht warten. Die Welt zog an ihr vorbei. Der Tag im Büro begann. Doch die Gedanken hörten nicht auf. Sie spielte mit ihren Locken.
Wie gut wäre es, dachte Anne, sie könnte sich unsichtbar machen, aber ohne so einen doofen Umhang. Wer will den denn immer bei sich tragen? Eher wie ein Ein- und Ausschalten mit einer Geste, wie wenn man sich eine Strähne hinter das Ohr streicht.
Und schon im nächsten Moment strich sie sich eine Locke hinter das Ohr und stellte sich vor sie sei nun unsichtbar. Lächelnd nippte Anne an ihrem Kaffee. Endlich Ruhe.

Es ist nicht das Warten…

An der Haltestelle stehend. In wenigen Minuten kommt der Bus. Es ist Herbst. Es ist dunkel. Es ist 19.27Uhr – zeigt die Uhr gegenüber, die sich dreht und Werbung der Apotheke trägt.
Es ist nicht das Warten, sagt Paula, es ist das Worauf. Dabei schaut sie auf die Uhr, die sich dreht. Weißt du, es ist wie mit der Uhr: Die Welt, auf der wir stehen, dreht sich stetig, aber wir bekommen nichts davon mit. Nicht weil sie sich zu langsam drehen würde, sondern weil wir es gewohnt sind. Bekommt die Zeit mit, dass sich die Uhr dreht?
Es ist nicht das Warten, sagt Paula, doch worauf noch warten, wenn nichts kommt. Selbst auf den Bus ist kein Verlass. Ob morgen die Sonne aufgeht oder nicht, ändert nichts daran. Es ist 19.30Uhr.
Wann fragen wir uns noch, wonach wir uns sehnen, wonach wir streben, wohin es uns aus tiefsten Herzen ruft. Tagein, tagaus. Pflichten erfüllen. Geld verdienen. Haken dran machen. Doch wann hinterfragen wir wohinter wir die Haken setzen und ob wir die überhaupt setzen wollen. Es ist 19.33Uhr.
Es ist nicht das Warten, sagt Paula, warten kann schön sein. Wie die Vorfreude auf einen Kuss, wie auf den fertigen Kuchen, der schon aus der Küche duftet, wie auf einen schönen Sommertag am Strand, nach einem harten Winter. Der Bus kommt.
Das Warten ist es nicht, warten ist hoffen. Das ist das gute Warten. Das Warten, das mehr kennt als den Bus, als die Uhr, die sich dreht, als das Morgen.
Es ist nicht das Warten, sagt Paula, es ist das Worauf.

Nächte

Auf meiner Zunge liegt noch das Salz deiner Haut. Die Nähe, die wir empfinden ist tief und wahr. Es macht mich glücklich dich zu sehen, in deine Augen zu schauen und dich zu schmecken und zu riechen und dich mit meinen Fingern zu erkunden.
Du hast mich gefragt was die Liebe macht. Ich konnte es dir nicht sagen. In mir habe ich das Gefühl, dass wir mehr sind als etwas, was im Bett funktioniert. Wir funktionieren auch unter der Dusche, in der Küche, in der Nacht und am Tag.
Ich würde gern mein Leben mit dir teilen. Ganz. Meinen Alltag dir schenken. “Lass uns alltäglich, aber nicht gewöhnlich werden.” Ein Satz, der mir schon einige Tage nach unserem letzten Treffen durch den Kopf geistert.
Heute sagtest du, dass ich die bin, die deinen Körper am besten kenne. Für mich ist das wie eine Liebeserklärung. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie es sich jemand entgehen lassen kann, jeden Zentimeter von dir zu erkunden.

Diese Nacht, die wir durchquatschten im jenem Sommer, als ich dir erzählte, dass ich in Farben fühle. Irgendwie begann es dort damals, dort trafen wir uns wieder.
Die Monaten zogen ins Jahr. Es wurde wieder Frühling. Zwei Nächten schliefen wir eng umschlungen. Es passte alles zusammen. Es war einfach. Danach schien alles anders für mich. In mir fühlte es sich wahrhaftig an. Und alles, was nicht wahrhaftig war, schloss ich nach und nach aus meinem Leben aus. Ich konnte nicht anders.

Dann kam der Sommer. Die Nächte. In jeder hieltst du meine Hand beim Einschlafen. Wir redeten bis es hell war. Immer wieder. Flüsternd. Und dann diese eine Nacht. Voller Leidenschaft. Nur du & ich, der Mond und der Wald. Das veränderte mich wieder. Voll von dir.
Du fragtest mich, wie es weiter geht, dass du die Nähe nicht einfach an dir vorbei geht. Ob wir uns im Herbst wiedersehen. Wir schmiedeten Pläne. Du. Ich ahnte nicht, dass du es wahr machen würdest.
Das Treffen, das erste danach. Das war seltsam. Es passte nicht. Ich gehörte nicht zu deinem Alltag. Das war Alltag und nicht wahrhaftig. Und was nicht wahrhaftig ist, hast du mir gezeigt, lass ich sein.
Eine Winternacht – als wäre sie im Sommer. Gartenparty. Knutschen. Live Musik. Und du fragtest mich, ob ich nicht warten kann. Und du sagtest mir, dass du mich liebst. Ich weinte. Sehr. Am Morgen danach stellte ich mir zum ersten Mal uns vor. Ein Leben mit dir. Verwunderlich, dass ich es nie zuvor getan habe. Es überwältigte mich. Es machte mich glücklicher, als ich je zu hoffen gewagt hätte. Unerträglich glücklich.
Es folgte das neue Jahr. Wir schrieben uns. Du mir. Und wir trafen uns. Bei mir. Allein. Zum ersten Mal so richtig. Ohne Zufall. Mit Zeit. Nur wir. Und es war ein Genuss. Meine Finger erkennen dich wieder. Alles an dir. Kurzatmig.

Jetzt ist heute. Jetzt ist Leidenschaft. Es ist wieder Sommer. Wieder Nacht. Du kommst einfach in meinen Alltag. Ein wenig zu früh. Es dämmert noch. Doch dann atme ich dich. Schmecke dich. Rieche dich. Sauge dich ein. Das ist pures Glück. Alles.

Also frage mich bitte nicht mehr, was die Liebe macht, denn sonst müsste ich dir sagen, dass sie nichts macht, nur warten und nichts will – außer dich ganz.

In der Ferne

In die Nacht, das Blau hinein.
Fremde Stimmen klingen.
Möchte in der Ferne sein,
Dort wo die Möwen singen.

Am Meer, das schöne Leben,
Ist anders als das hier.
Dort lern’n Gedanken schweben.
Und Du wärst längst bei mir.

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